Ich freue mich, heute mit Reflexionen der Moderne die dritte Ludwig Gebhard Ausstellung in der Galerie am Fischmarkt präsentieren zu können.
Die erste Ausstellung 2005 hatte den Titel „Das wilde Tier: gezähmt“ ein Titel, der meinen ersten Eindruck Gebhardscher Arbeit widerspiegelte - nämlich dynamische Schaffensfreude im Zaum höchster Präzision - und dessen Formulierung ich einem Text von Ludwig Wittgenstein entwendet hatte: „In aller großen Kunst ist ein wildes Tier: gezähmt“.
Die zweite Ausstellung 2007 hatte den Titel „Menschenbild“ . Thema war die figurative Arbeit Ludwig Gebhards die sich mit dem Zeitabbild des Menschen beschäftigt.
In der heutigen Ausstellung nun – Reflexionen der Moderne – sollen die zentralen Themenfelder dargestellt werden, denen sich Ludwig Gebhard zeitlebens widmete. Zuerst ein kurzer Abriss zu Künstler und Werk:
Ludwig Gebhard wurde 1933 in Tiefenbach in der Oberpfalz geboren, 2007 verstarb er in Landsberg am Lech.
Er studierte Kunstgeschichte bei dem Baseler Prof . Georg Schmidt und Malerei und Grafik von 1959 bis 1965 in München als Meisterschüler bei Prof. Geitlinger, der, wie ich von Dr. Hajo Düchting erfuhr, für seine experimentelle Arbeitsweise bekannt war.
Diese Zeit war ja in Deutschland gekennzeichnet durch einen kompletten Neuanfang, durch das Informel, durch Experimente mit amorphen Farbflächen, durch eine Folge schnell wechselnder Stilpluralismen, kurz durch einen Versuch, die bildende Kunst nach ihrer unheilvollen Vorgeschichte in der Zeit der Hitlerdiktatur ganz neu zu erfinden. Happenings, Performances, eine Kunst im bewussten Gegensatz zum sozialistischen Realismus – all das bestimmte die Zeit.
Ludwig Gebhard allerdings suchte seinen Ausdruck jenseits dieser Strömungen in dem Dialog mit den bestimmenden europäischen visuellen Ausdrucksformen – im Surrealismus, Kubismus, im Konstruktivismus. All das im Dialog und in der Auseinandersetzung mit Joan Miró, Fernand Léger, Paul Klee, und natürlich immer auch mit Pablo Picasso. Das war kein Nachahmen, aber durchaus eine Auseinandersetzung in dem respektvollen Bewusstsein, auf den Schultern eines Riesen zu stehen.
Das hatte nichts Konservatives an sich, Gebhard erarbeitete sein Werk durchaus an der künstlerischen Front, aber eben nicht im Niemandsland.
Aus dieser selbstgewählten Mission zog er auch die Kraft zu seiner ungeheuren Produktivität. Der Frühaufsteher stand meist bereits um 6:00 Uhr früh bei der Arbeit, und ein Tag der Zusammenarbeit oder Verhandlung mit ihm ließ erahnen, welche Kraft dieser Künstler aktivieren konnte.
Die Münchener Zeit ist neben dem Studium durch nächtlichen Nebenverdienst als Telefonvermittler geprägt - damals wurden Telefonate teilweise noch durch Einstecken von Verbindungssteckern manuell vermittelt. Ludwig Gebhard hat dieses Motiv übrigens später immer wieder einmal in seinen Arbeiten aufgegriffen. In diese Zeit fällt auch der Aufbau einer Druckwerkstatt zusammen mit Dr. Wolf Peter Schnetz, den wir als Regensburger Kulturreferenten kennen. Schon damals schuf Gebhard zahlreiche Werke und bestritt erste Ausstellungen.
Nach dem Studium arbeitete er lebenslang als freischaffender Künstler in München und Landsberg am Lech, er war Gast der Villa Romana ín Florenz, unzählige Publikationen und mehr als 140 Ausstellungen in Deutschland und im europäischen Ausland bestimmten seinen Lebensweg.
Im Jahr 2000 wurde in seinem Geburtsort Tiefenbach das Ludwig-Gebhard-Museum eröffnet.
Zum Aufbau dieser Ausstellung:
Bewusst wurden die beiden Pole von Gebhards Schaffen hier gegenübergestellt: Die Arbeit im Bereich der konkreten Kunst in der der experimentelle Umgang mit dem Mal-Material und die visuelle Erfahrung im Vordergrund steht und in der versucht wird, die Welt der Bildempfindung zu erweitern.
Hier ist auch das Feld zur Erprobung neuer Techniken, zur Steigerung der handwerklichen und technischen Möglichkeiten des Materials – sozusagen das Labor des Künstlers. Anderseits die Figuration mit den Hauptthema des Menschen als kulturelles Zeitabbild – Gegengewicht und Ergänzung zum Konkreten und für Gebhard echtes Anliegen zur Vermittlung seines Beitrages um die Diskussion der conditio humana.
Dieser Beitrag war ihm sehr wichtig, und es war ihm sehr wichtig, damit möglichst viele Dialogpartner zu erreichen. Davon zeugt nicht zuletzt die große Zahl von Plakaten und Postkartenabbildungen, mit denen Ludwig Gebhard seine Arbeit publik machte. Unabhängig vom Verkauf war ihm das immer ein ernstes Anliegen.
Ludwig Gebhard hinterließ ein umfangreiches Oeuvre aus Gemälden, Handzeichnungen, Grafiken, Skulpturen, sowie Schmuck und Textildesign. Diese Ausstellung zeigt ausschließlich Grafiken des Künstlers und zwar Radierungen, Lithographien und Linoldrucke, wobei der Schwerpunkt auf den Linoldrucken, liegt, einem Gebiet, in dem Ludwig Gebhard nach übereinstimmender Meinung weltweit einen Spitzenplatz einnimmt.
"Im Linolschnitt erreicht der Künstler eine unbedingte Exaktheit, einen unmittelbaren klaren Ausdruck der zum Charakteristikum seiner Qualität wird." schreibt Beate Noeke in einem Ausstellungskatalog, und Pavel Liska, Professor in Prag, hier noch gut bekannt aus seiner Zeit im Kunstforum Ostdeutsche Galerie schreibt über seine Linoldrucke: "….ist ebenfalls wichtig, dass Ludwig Gebhard mit Reduzierung umgeht, in einer Richtung, die ich hier Purismus nennen würde – also saubere Formen. Man reinigt die ursprünglichen Formen sozusagen und kommt so zu den endgültigen Formen, die so und so sein müssen und nichts anderes. Daher auch die Technik des Linolschnitts, wo die Eindeutigkeit des Schnitts wohl am besten festzumachen ist. Linoleum ist ein Material, das ganz genau das wiedergibt, was der Künstler einmal hineingeschnitten hat. Die Flächen bleiben sauber, die Trennung zwischen den Flächen bleibt sauber. Das, so nehme ich an, sind die Qualitäten, die den Künstler dazu bewegt haben, diese Technik zu wählen."
Gebhard arbeitet dabei nach dem Verfahren der verlorenen Form, bei dem ausgehend von der ersten Platte, weitere Teile des Druckstockes beschnitten werden und mit der nächsten Farbe weitergedruckt wird. Wenn man realisiert, dass Gebhard Blätter mit bis zu 11 Druckstufen verfertigte und darüber hinaus in diesen Druckstufen auch noch Farbverläufe unterbringen konnte, wird klar, welche Präzision und welcher Aufwand jeweils zur Fertigung eines einzigen Blattes nötig waren.
Ludwig Gebhard lag diese Vertiefung, ja Versenkung in die Arbeit wie wir sie in fernöstlichen Religionen kennen, wo der Künstler nichts, das Werk aber alles gilt. Auch Ludwig Gebhard konnte sich in diese Rolle gut einfügen - während er vielfältigste Kontakte zu Kunstwelt, Politik und Wissenschaft pflegte, stellte er – selbst von hochgewachsener und attraktiver Erscheinung - seine Person doch nie in den Vordergrund. Ihm ging es vielmehr um seine künstlerische Arbeit und um die Diskussion zum Stand des Faches.
Diese Diskussion aber lag ihm am Herzen und er wollte dazu auch einen essentiellen Beitrag leisten. Die Entwicklungen, die von bestimmenden Künstlerpersönlichkeiten seines Jahrhunderts geprägt wurden, diese Entwicklungen griff er auf und machte sie zum Teil seiner Formensprache.
Ich glaube, wir können heute davon ausgehen, dass sein Beitrag zur Entwicklung der Moderne eine bleibender ist.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen mit dieser Ausstellung eine anregende Begegnung.