Spiegel und Spiegelungen in der zeitgenössischen Kunst
18. Juni bis 12. Oktober 2014
Unteres Belvedere, Orangerie, Prunkräume und Kammergarten
Rennweg 6a
A-1030 Wien
Die Symbolkraft des Spiegels: Motiv, Metapher und Artefakt in der zeitgenössischen Kunst
Mit der Ausstellung «Die andere Seite - Spiegel und Spiegelungen in der zeitgenössischen Kunst» beleuchtet das Belvedere vom 18. Juni bis 12. Oktober 2014 unterschiedliche ästhetische und symbolische Aspekte der reflektierenden Fläche. Der Spiegel hat eine große kunst- und kulturgeschichtliche Bedeutung, aber auch eine jahrhundertealte Tradition als magisch-symbolisches Objekt. In manchen antiken Kulturen galt er als Abbild der Seele, in der Kunst des europäischen Mittelalters stand er sowohl für Keuschheit, Vergänglichkeit, Sinnenfreude als auch für Putzsucht, im Barockzeitalter wiederum war er Symbol der Vanitas - der Vergänglichkeit allen menschlichen Strebens.
Medium der Selbstwahrnehmung
Der Spiegel ist ein Medium der Selbstwahrnehmung und der narzisstischen Selbstverdoppelung, zugleich aber auch eine Pforte, die in ein Paralleluniversum oder eine andere Seinsmodalität führt - Alice hinter den Spiegeln als Möglichkeit der Bewusstseinserweiterung. Die Beliebtheit des Spiegels in der zeitgenössischen Kunst hat mit dessen vielfältigen und durchaus auch paradoxen und widersprüchlichen metaphorischen und wahrnehmungspsychologischen Bedeutungen zu tun, wie die von Edelbert Köb und Thomas Mießgang kuratierte Schau in der Orangerie, in den Prunkräumen und im Kammergarten zeigt.
Das Wesen des Spiegels als Medium der Selbsterkenntnis, der Selbsterschaffung, der Selbstzerstärung ist in vielen philosophischen und psychoanalytischen Texten herausgearbeitet worden. Sigmund Freud leitet seine Theorie der Melancholie vom Spiegel des Narziss ab, Jean-Paul Sartre sieht die Entstehung des Selbstbewusstseins im Blick des Anderen begründet. Am weitreichendsten, vor allem im Hinblick auf Kunstproduktion und Kunsttheorie, war jedoch Jacques Lacans berühmter Aufsatz «Das Spiegelstadium als Bildner der Ich-Funktion». Der französische Analytiker und Philosoph beschreibt darin, dass sich die bis dahin disparate Identität eines Kleinkindes über die zentrierende Kraft des Spiegelbildes konstituiert, indem das Kind sein eigenes Bild freudvoll erkennt.
Identität und Alterität
Das Andere im Spiegel ermöglicht die Wahrnehmung eines Ichs, und gerade diese Spaltung zwischen Ich und dem Anderen wird zur Ursache eines identifikatorischen Prozesses. «Der Mensch hat immer versucht, sich zu spalten, um sich zu erkennen», schreibt Michelangelo Pistoletto in «Die berühmten letzten Worte». Das Wiedererkennen des eigenen Bildes im stehenden Wasser und im Spiegel ist vielleicht eine der ersten wirklichen Halluzinationen, denen der Mensch begegnet ist.
Darüber hinaus wirkt der Spiegel als Membran zwischen der realen und einer virtuellen Welt Michelangelo Pistoletto, «Die berühmten letzten Worte», zit. nach Jochen Poetter (Hg.), Michelangelo Pistoletto (Ausst.-Kat., Staatliche Kunsthalle Baden-Baden, 8.10.-27.11.1988), Baden-Baden 1988, S. 36. und bringt in einer zunehmend säkularen Zeit die Ebene der Transzendenz und der Magie ins Spiel, ohne die Religion zu bemühen. Liz Larners geisterhaft spiegelnde «Ref/ector Wizards» stehen in der Ausstellung exemplarisch dafür. Schließlich ist der Spiegel auch ein Medium der narzisstischen Selbstüberhöhung, die in unserer Zeit der Castingshows, Modelwettbewerbe und oftmals inhaltsleeren TV-Talkrunden zu einer gesellschaftlichen Leitidee wurde gewissermaßen eine Neuauflage des barocken Vanitas-Motivs als Vanity-Projekt.
Davon erzählen in der Ausstellung die aus den hedonistischen Milieus der Selbstverschwendung geliehenen Discokugeln von John Armleder ebenso wie die mit Spiegelelementen dekorierten Supermodels von Pierre Bismuth. Reflektierende Flächen sind in der zeitgenössischen Kunst somit nicht nur ästhetische Artefakte, sondern Instrumente der gesellschaftlichen Durchdringung und der Welterkenntnis, die einen Satz beglaubigen, den Joseph Beuys 1972 formuliert hat: Das Gehirn sei ein Reflexionsorgan so hart und blank wie ein Spiegel.
Die Kuratoren: Edelbert Köb und Thomas Mießgang
Die Ausstellung: Skulpturen, Installationen, Fotografien, Videos und Filme von Lufs Antunes Pena, John Armleder, Arthur Lemon, Pierre Bismuth, Jean Cocteau, Ira Cohen, Elmgreen & Dragset, Douglas Gordon, Markus Hofer, HORST, Joan Jonas, Birgit Jürgenssen, Anish Kapoor, Brigitte Kowanz, Elke Krystufek, Hans Kupelwieser, Liz Larner, Louise Dahl-Wolfe, Bruno Peinado, Peter Basch, Norbert Pfaffenbichler, Michelangelo Pistoletto, Michael Schuster, Cindy Sherman, Gerold Tagwerker, Veit Harlan, Franz West, Markus Wilfling, Erwin Wurm, Heimo Zobernig.
Öffnungszeiten
Täglich 10 bis 18 Uhr
Mittwoch 10 bis 21 Uhr
T: 0043 (01) 79 557 0
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