F. Heumann, A. Abmeier, T.v. Steinaecker (Foto: A. Kienberger)
Graphic Novel - Vermarktungsstrategie oder ernst zu nehmendes literarisches Genre?
Es begann als Werbegag. Will Eisner wollte mit seinem Comic "Contract with God" (siehe: The 'Contract with God' Trilogy: Life on Dropsie Avenue (Will Eisner Library)- dort kann man auch reinschauen!) rein in den Buchmarkt und prägte den Begriff "Graphic Novel" um damit Nähe zur Erzählliteratur herzustellen. Er hatte damit Erfolg und mittlerweile sind die Comics in Buchform besonders im anglophonen Raum ein eingebürgertes Genre. Marvel und Carlson bringen zahlreiche Superheldencomics als Hardcover heraus, doch hierzulande führt es die Fans der gezeichneten Geschichten meist nur in Comicläden, die Steinaecker als ein "eigenes Universium" bzw. "eine Begegnung der anderen Art" bezeichnete? Warum?
Abmeier bezeichnet sich als "obsessiv" und "bildnärrich" und bekennt sein Faible für die erzählenden Bilder und die literarische Kunst, so zum Beispiel "Jimmy Corrigan". Dass sich das Genre der Bildergeschichten bei uns in Deutschland noch wenig durchsetzen konnte, hat mehrere Ursachen. Zwei für Abmeier ganz wesentliche Gründe sind unser Erziehungssystem und das Warengruppensystem des Buchhandels. Kinder haben, so Abmeier, einen wunderbaren Sinn für Bilder, der durch die Konzentration aufs Schreiben und Lesens wenig gebraucht wird und somit bei vielen Menschen eine eher nebensächliche Rolle spielt. Das führt dann dazu, dass wir als erwachsene Menschen Comics nicht (mehr) lesen können und nur bei Freaks ein Bewusstsein für diese an sich natürliche Bimedialität von Bild-Erzählung und Wort-Erzählung erhalten geblieben ist. Dem konnte auch von Steinaecker beipflichten, der vor ca. 6 Jahren die Comics für sich entdeckt hat und sich nach und nach diese Welt erobert hat.
Dass sich Comics trotz herausragenden und auch kommerziell sehr erfolgreichen Geschichten wie "Maus" von Art Spiegelman, die von Rowohlt verlegt wurde, oder Kultbüchern wie "Silver Surfer" (1966) oder "Watchmen" (1986/87) nicht in herkömmlichen Buchhandlungen durchsetzen konnten liegt an der schwierigen Klassifizierung. Trotz des Begriffes der "Graphic Novel" ist das Genre sehr breit: Es gibt Kinderbücher, illustrierte Bücher, bei denen der Text eine untergeordnete Rolle spielt, Mangas, sehr literarische gezeichnete Geschichten, erotische oder pornographische Comics, so dass im Grunde jedes "Bilderbuch" genau zugeordnet werden müsste und nicht einfach eine allgemeine Comicabteilung in der Buchhandlung gepflegt werden kann. Bleibt also doch wieder nur der Gang in den Comicladen? Oder in kleine Läden, die nicht in diesen Kategorien denken, wie etwa Heumann, der großen Wert darauf legt, für seine Kunden eine exquisite Vorauswahl zur treffen.
Doch nicht nur strukturelle Gründe sind auszumachen, denn von Steinaecker bemerkt bei den jungen deutschen Zeichnern zwar große zeichnerische Fähigkeiten, doch wenig Talent zum Geschichtenerzählen. Auch Schlegel, der die Verkaufsaustellung im Literaturhaus kuratiert hat, bestätigt eine Resignation unter den Comiczeichnern in Deutschland. Sie suchen weniger den innovativen Durchbruch, sondern stärker den kommerziellen Erfolg. Vielleicht stößt hier von Steinaeckers Projekt, Zeichner und Autoren miteinander in Kontakt zu bringen. Die ersten Versuche waren noch etwas schüchtern, doch man darf gespannt sein, ob so nicht doch nach einem ersten Hype Ende der 1990er Jahre eine zweite Welle von "Graphic Novels" auf den Markt kommen, die Eisners Merkmalskatalog von der Relevanz der Themen und der Innovation der Darstellung gerecht werden.
Bis sich das Bewusstsein für gezeichnete Geschichten und illustrierte Bücher allgemein durchgesetzt hat, warten diese Schätze darauf, von abenteuerlustigen und aufgeschlossenen Geistern entdeckt zu werden. Bei Ihrem Buchhändler oder hier in der Galerie!
Es diskutierten Armin Abmeier, Comicsammler und Herausgeber der »Tollen Hefte« und Gerhard Schlegel, Comiczeichner und Leiter des Münchner Comicfestes. Mit dabei waren auch Frank Heumann von der Buchhandlung »Dichtung & Wahrheit« und Thomas von Steinaecker, Schriftsteller, Journalist und Comickenner. Moderiert wurde die Veranstaltung von Helmut Kronthaler, Kunsthistoriker und Mitglied der Gesellschaft für Comicforschung.