Media Art and the Art Market II
Konferenz auf dem Ars Electronica Festival am 7. September 2017
Die sechs Vorträge am ersten Tag des Ars Electronica Festivals setzten zwei Schwerpunkte: Das Sammeln und Konservieren von Medienkunst und neue Formate für die Vermittlung und den Verkauf von Kunst. Vom traditionellen Galeriebetrieb, reinen Künstleragenturen, Kulturinstitutionen bis hin zu Vertriebsleitern von neuen digitalen Einkaufs- und Organisationstools waren bis auf die Künstler alle Akteure des Kunstmarktes vertreten.
So unterschiedlich die Ansätze und Zielsetzungen der einzelnen Formate auch sind, eines ist klar: Am digitalen Weg der Vermittlung von Kunst, nicht nur der Medienkunst, führt kein Weg vorbei.
Die Künstleragentur
Steve Fletcher aus UK machte mit seiner 2017 gegründeten The Artists‘ Development Agency den Anfang. Er postuliert einen nicht-gewinnorientierten Ansatz und arbeitet bevorzugt mit Künstlern, die frisch von der Akademie kommen. Er begleitet freischaffende Künstler in den ersten fünf bis sieben Jahren ihrer Entwicklung.
Zunächst wird ein Exklusivvertrag zwischen Künstler und Agentur für die Dauer von drei Jahren geschlossen. Dieser Vertrag beinhaltet die umfassende Betreuung des Künstlers für die Vermittlung von Ausstellungen, verkaufsfördernde Maßnahmen wie Atelierbesuche, Pressekontakte, Finanzplanung und Vertragsverhandlungen sowie die Kosten, die der Künstler zu übernehmen hat.
Auf der Basis aller bisherigen Verträge, Kontakte und Aktivitäten des Künstlers erarbeitet die Agentur einen Jahres- bzw. Dreijahres-Marketingplan. Der Agentur steht ein internationales Beraterteam aus der Künstler- und Kuratorenszene zur Seite. Allein der Direktor Steve Flechter blickt auf eine berufliche Vergangenheit im Consultingbereich zurück.
Bisher sind vier Künstler in der frisch gegründeten Artists‘ Development Agency vertreten: Jessie Brennan (1982, UK), Jake Elwes (1993, UK), Felicity Hammond (1988, UK) und Libby Heaney. Die jungen, international prämierten Künstler sind erfolgreich in Ausstellungen vertreten. In Linz wurden Arbeiten von Jake Elwes in der Säulenhalle auf dem Ars Electronica Festival präsentiert.
Conclusio: The Artists' Development Agency konzentriert sich auf einen Teilbereich des traditionellen Galeriebetriebs wie Ausstellungsvermittlungen und fokussiert sich dabei auf junge Künstler. Sie sollen durch Ausstellungen in renommierten Häusern schnell aufgebaut werden. Der Erfolg der Agentur basiert auf einem institutionell verankerten Netzwerk von Personen in entscheidenden Positionen. Es finden sich keine Aussagen über die Kosten, die vom Künstler zu tragen sind. Artnet berichtet, dass Künstler mit einem Kunstwerk bezahlen. Das Postulat 'non-profit' erschließt sich aus der Selbstdarstellung der Agentur nicht.
Es stellt sich die Frage, ob traditionelle Galerien, die für ihre Künstler über temporäre Ausstellungen hinausgehende Vermittlungs- und Marketingdienstleistungen erfüllen, Künstler an den Kosten beteiligen sollen oder ob es zielführend ist, Ausstellungsbetrieb und Consulting für Künstler als zwei nicht notwendigerweise aneinander gekoppelte Geschäftszweige anzubieten.
Die Kulturinstitution
Im Anschluss stellte Minoru Hatanaka (Japan) das NTT InterCommunication Center ICC vor. Das NTT InterCommunication Center (ICC) ist eine kulturelle Einrichtung, die von der NTT East Corp. geführt wird. Die Einrichtung wurde am 19. April 1997 Tokyo Opera City Tower in Nishi Shinjuku eröffnet. Anlass war der 100. Jahrestag der Telekommunikation in Japan. Die Zielsetzung liegt in der Beförderung des Dialogs zwischen Wissenschaft, Technologie und Kunst. Das ICC dient als Plattform für Netzwerkbildung, Informationsaustausch und Kontaktforum für Künstler und Wissenschaftler weltweit.
Zu neuen Vermittlungsformaten für den Markt an sich konnte der Vortrag nichts beitragen, da es sich hier um eine finanzkräftige Institution handelt, die nach musealen Prinzipien ausstellt, vermittelt und archiviert.
Die Galerie
Erfreulicherweise ganz anders Vortrag von Anita Beckers aus Deutschland, Inhaberin der gleichnamigen Galerie in Frankfurt am Main. Anita Beckers nahm ganz konkret Bezug auf das gestellte Thema des Vertriebs von Medienkunst und das Konservieren von Medienkunst.
Die Galeristin engagiert sich seit über 20 Jahren im Bundesverband Deutscher Galerien und Kunsthändler e.V. und fordert verbindliche Kriterien für den Umgang mit Medienkunst. Dies ist – nicht nur ihrer Meinung nach – unerlässlich für eine stabile Marktgrundlage. Sammler brauchen Sicherheit über z.B. garantierte Auflage oder Einzigartigkeit eines ohne Qualitätsverlust beliebig reproduzierbaren Kunstwerks, Gepflogenheiten der Diffusion über öffentliche Videokanäle wie vimeo oder streaming-Dienste und auch die Möglichkeiten der Aufbewahrung und Bewahrung der Aufführbarkeit des Medienkunstwerks. Bislang waren die Bestrebungen, verbindliche Standards zu schaffen von wenig Erfolg gekrönt.
Daher war Anitas Beckers deutliches Credo und Wunsch die Möglichkeiten des Austauschs und der Diskussion im Rahmen des Ars Electronica Festivals intensiv zu nutzen.
Ein kleiner Einschub: Julia Stoschek Collection, nicht auf der Konferenz vertreten, doch mit zehn Jahren Sammlungsgeschichte, hat ein eigenes „Drei-Säulen-Modell“ für den Umgang mit Medienkunst entwickelt, um Verlusten durch Alterung, technische Defekte oder auch Bedienfehler vorzubeugen. So werden Datenträger dort stets in drei Formaten gelagert und nur eine Kopie gelangt in die Ausstellung, so Medienrestaurator Andreas Weisser. Bei Gründung der JSC waren Videokassetten und DVDs die Datenträger für Medienkunst. Heute wird ein Großteil der Videokunst per Download für die Sammlung erworben.
Ein kleiner Nebensatz: Mit der zauberhaften Arbeit p.b.ring der Künstlergruppe Pomodoro Bolzano stellt sich die Problematik der Konservierung des Medienkunstwerks so nicht.
Anita Beckers betreibt mit ihrer Kollegin Julia Sökeland die Plattform blinkvideo. Sie läuft noch mit Adobe Flash, wird aber derzeit auf den aktuellen Stand gebracht. Ein wunderbares Recherche-Werkzeug für Künstler, Galerien, Festivals. Über 1800 Videokunstwerke sind nach dem kostenfreien Login in voller Länge abrufbar. Die Suche wird durch Parameter wie Genre, Thema etc. vereinfacht. Eine herausragende Arbeit! Fundierte Kunst- und Branchenkenntnisse konzentriert zusammengestellt, überdies ohne Kosten für teilnehmende Künstler und Kooperationspartner mit guten Präsentationsformaten, wie z.B. auf der Internetpräsenz der F.A.Z., wo im Jahr 2013 im Wechsel von acht Wochen Artikel über Videokunstwerke prominent präsentiert wurden. Chapeau!
Spotify für Medienkunst
Im starken (Generationen)Kontrast hierzu stand der Vortrag der jungen Künstlerin und Kulturwissenschaftlerin Ashley Lee Wong (CA), die an der City University of Hongkong ein Research Programm leitet. Sie stellte in einer rasanten Verkaufsshow die Plattform Sedition Art vor. Mehr Worte und Bilder hätten wirklich nicht in die zur Verfügung stehende Vortragszeit gepresst werden können.
Was bietet dieses Unternehmen? Es ruft auf zum Sammeln von Kunst für das digitale Zeitalter. Medienkunst in definierter Auflage für den PC, das Telefon, Tablet und TV, die bei Sedition Art jederzeit von jedem Endgerät abgerufen werden können. Auf spielerisch einfache Weise kann man den Katalog durchsuchen, Kunst entdecken, mittels künstlerisch gestalteter Gutscheine verschenken und selbst kaufen und wieder verkaufen. Ein vollständiges Ökosystem der Kunst mit niedriger Einstiegshürde ab 5 Euro Kaufpreis oder für 10 Euro den kuratierten Streamingdienst zu abonnieren.
Renommierte Künstler wie Yoko Ono oder Jenny Holzer sind mit am Start. Einen von Damien Hirst gestalteten Bildschirmschoner kann man ab 7.50 englischen Pfund erwerben. Da alles transparent bleibt, kann jeder zuschauen, wie die jeweiligen Sammlungen wachsen: Quantitativ und ökonomisch, je nachdem wie die Akteure des Marktes auf bestimmte Kunstwerke reagieren.
Diese Plattform wird kuratiert. Die Kunstwerke werden lizensiert, der Künstler zu 50% am Verkaufserlös beteiligt. Künstler können über das Kontaktformular eine Bewerbung einreichen.
Conclusio: Die Trademark „Turn Screens into art“ ist perfekt umgesetzt. Die Website ist wunderbar einfach in der Bedienung. Das Profil der Künstler ist übersichtlich gestaltet und beinhaltet neben den üblichen Parametern auch die Sichtbarkeit der Follower und Sammler. Schön zum Zeitvertreib. Und vielleicht als Vertriebsplattform für Künstler gut geeignet. Zumindest für diejenigen Künstler, deren Kunst augenfällig ist.
Dropbox mit Hardware-Service für Medienkunst
Einer Drobox für alle kommt auch das Format Niio gleich, das Oren Moshe (IL) im Anschluss vorstellte. Niio ist eine kuratierte Plattform für das self-publishing von Medienkunst. Der Fokus dieser Plattform liegt auf Videokunst, 4K-Filmen, VR und computerbasierter Medienkunst. Ziel von niio ist es, ein globales Netzwerk zu werden, das alle Akteure des Kunstmarktes umfasst: Künstler, Galerien und Museen sowie Sammler. Ein einziges Tool soll Medienkunst lagern und abspielbar machen.
Niio setzt dabei auf drei Säulen: Entdecken, Mobiles abspielen – nach verschiedenen Bezahlmodellen – und Hardware-Support.
Im Unterschied zu anderen Plattformen bietet der Hardware-Support einen Wettbewerbsvorteil für Niio. Gerade für Einsteiger interessant. Sammler und Institutionen für Medienkunst dürften wohl über ihre eigene Infrastruktur verfügen.
Mit der Möglichkeit Ausschreibungen über Niio zu organisieren mit Landingpage, Anmeldeformularen, Tools zum Jurieren und der online-Präsentation der Werke könnte die Plattform eine Marktlücke füllen.
Für Künstler möglicherweise auch von Vorteil: Die Funktion der digitalen Katalogerstellung.
Ansonsten sind die Dienstleistungen der vorgestellten Plattformen nahezu identisch, wobei Sedition Art aus meiner Sicht benutzerfreundlicher und weitaus mehr Lust macht, Kunst zu entdecken. Bei Niio geht die Kunst neben der äußerst üppig platzierten Eigenwerbung nahezu unter.
Heimlieferdienst für Kunst: Der TV-Kanal
Als letzte Rednerin betrat Elizabeth Markevitch (CH) das Podium und stellte ihr Projekt Ikono TV vor. „Art is coming home“ war ihr Leitmotiv, als sie Ikono TV 2006 gründete und ihr Format über den europäischen Satelliten Astra ausstrahlte. In diesem Fernsehformat werden Kunstwerke abgefilmt. Das Drehbuch dafür schreiben Kunsthistoriker und Lenken über die Kameraführung den Blick des Zuschauers über das Bild und intensivieren so die Rezeptionsmöglichkeiten von Kunstwerken.
Da dieses TV-Format konsum- bzw. rezeptionsorientiert ist, bietet es keine direkten Interaktionsmöglichkeiten für den Vertrieb von Kunstwerken. Der TV-Kanal wich einem Streaming-Dienst. Für 4,99 Euro im Monat kann der Kanal abonniert werden. Dabei kann der Abonnent aus drei Kategorien auswählen: Alte Meister, zeitgenössische Kunst oder Interviews mit führenden Künstlern, die in international renommierten Häusern ausstellen.
Persönliches Fazit
Digitale Formate werden zunehmend als Vermittlungsform entdeckt. Sie leben davon, Kunst möglich als Spiel und Entertainment zu inszenieren und das kunstfernes Publikum zu gewinnen. Weitere Servicestandbeine sind die technische Infrastruktur des Speicherns, Verwaltens und Abspielen. Gewichtige Institutionen haben sich bisher noch nicht eingeklinkt.
Für die traditionellen Galerien ist es in jedem Fall empfehlenswert, die digitalen Formate zu beobachten. Zum einen wird es wesentlich sein, ob sich darüber tatsächlich Vernetzung und Informationsaustausch erreichen lassen und zum anderen, welche Vertriebsplattformen für die eigene Arbeit zusätzlich Sinn machen, da eigene Räumlichkeiten und eigenen Online-Präsenzen für viele nicht ausreichend sind, um auf dem Markt zu bestehen.
Künstler, die sich hauptsächlich selbst vermarkten, finden hier unter Umständen einen weiteren attraktiven Vertriebskanal.
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