Foto: Ctibor Bachraty (Quelle: Donumenta)
Den Kapitalismus anzuprangern und als Übel für die Entmenschlichung zu brandmarken ist gerade in Zeiten wie dieser einfach. Zu einfach. Ein Wirtschaftssystem trägt nicht die Verantwortung für das Ge- oder Misslingen zwischenmenschlicher Beziehungen und auch nicht für gescheiterte Lebensentwürfe. Angesichts der Tatsache, dass während des Kalten Krieges mit der Diktatur kommunistischer Regime negative Erfahrung mit freier Meinungsäußerung und individueller Persönlichkeitsentfaltung gemacht wurden, scheinen die „images from the new world“ (Buch und Regie Dušan Vicen), die das Theater SkRAT in ihrer einstündigen Performance am 3. Oktober 2009 am Theater der Universität Regensburg im Rahmen der diesjährigen donumenta zeigten, ohne rechten Referenten daherzukommen.
Das auf mehreren Ebenen angeordnete Bühnenbild bot einen Aktionsraum für simultan ablaufende, alltägliche und sich an vielen Orten zeitgleich zutragende Szenerien. Diese waren banaler Natur, Trieb als Strukturmerkmal des Menschen, die Figuren ohne einen Hauch von Inspiration und Gestaltungswillen. Jenen stellten die slowakischen Theatermacher jedoch durchaus unter Beweis. Die stilsichere Komposition des Bühnenbildes erhebt die Schrägheit und das nicht Zusammenpassende der unzähligen Gegenstände zum Programm. Die projizierten Filmausschnitte (Paštéková), lieferten einerseits die Außenperspektive zum Innenraum der Bühne und erzählten in anderen Sequenzen parallele Geschichten zur Handlung auf der Bühne. Somit komplementierten und ergänzten sich beide Medien. Intensiviert wurde die Performance durch die fast pausenlosen Rhythmen elektronischer Musik und Geräuschen als Ausdruck der ständigen Betriebsamkeit und der Atemlosigkeit der Großstadtmenschen und die Lichtregie, die kleine Felder der im Halbdunkel liegende Bühne in unterschiedlich grell ausleuchtete.
Zum Voyeur wurde der Zuschauer trotzdem nicht. Die Szenen aus dem Leben der Unterschicht, der Säufer, der Perfiden, der zwangsgeilen Hausfrau, der sich am eigenen Körper erfreuenden Starlets, Feierabendsex und erste Homosexuelle Erfahrungen machen keine Lust auf mehr, regen nicht an, sondern machen, ganz im Gegenteil, seltsam matt und mürbe. Dies ist womöglich gewollt, bei all den lediglich an der Oberfläche verweilenden Bildern. Der Zuschauer blickt, wird auf vielen Sinneskanälen mit Daten versorgt, Kommunikation entsteht trotzdem nicht, das Ende der Leitung ist nicht besetzt und wird bloß mit einem Dauerjingle bespielt. Kommunikationslosigkeit und die Reduktion des Menschen auf die reine Körperlichkeit? Der Körper als Medium des Ausdrucks der Sprachlosigkeit? Das Ineinanderfallen von Realität und Aufführung? Die Präsenz der Schauspieler in ihren Rollen beim Schlussapplaus ließe dies vermuten. Wenn die Schauspieler ihre Rolle nicht verlassen, führt dies zu einer veränderten Definition der Zuschauerrolle. Er kann nicht aufstehen, die Moral von der Geschichte mit nach Hause nehmen, sondern er bleibt Bestandteil der Ausführung des Spiels. Nun ist es an ihm, als ‚tote Seele‘ oder als beseelter Leib das Leben zu gestalten.