Kunstmuseum Stuttgart
26. Juni bis 17. Oktober 2021
Den Ausgangspunkt für die Schau bildet die Sammlung Konkreter Kunst von Heinz und Anette Teufel, die seit 2009 dem Kunstmuseum Stuttgart gehört. Das Konvolut ermöglicht einen Überblick über das Konkrete Schaffen nach dem Zweiten Weltkrieg in ganz Europa. So befindet sich darunter etwa eine repräsentative Auswahl an Werken von Aurelie Nemours, die Heinz Teufel als Galerist in den 1980er-Jahren in Deutschland bekannt machte. Einen weitereren Anlass, die Ausstellung zu besuchen, bietet der Neuzugang eines Werkes von Verena Loewensberg, das 2018 die Freunde des Kunstmuseums Stuttgart für die Sammlung erwarben.
Beleuchtet werden Leben und Werk, die Ausbildungs- und Präsentationsbedingungen für Frauen vor und nach 1945 sowie Förder:innen und Netzwerke. Erstmals wird auch die Rolle wegweisender Galeristinnen berücksichtigt, die sich für Konkrete Kunst eingesetzt haben. Die Ausstellung zeichnet die soziologischen Aspekte der weiblichen Biografien nach. So wird sichtbar, wie diese die künstlerische Entwicklung des jeweiligen Lebenswerks und dessen Aufnahme in der Öffentlichkeit beeinflusst haben.
Etliche der Künstlerinnen haben nicht nur verschiedene Berührungspunkte untereinander, sie verbindet auch, dass sie entschlossen und geistig unabhängig ihre künstlerischen Ziele verfolgten. Eine tiefgehende Beschäftigung mit dem Verhältnis von Fläche, Form, Linie, Raum und Farbe und der gesellschaftlichen Bedeutung von Kunst spricht aus ihren Arbeiten.
Mit der kunstsoziologischen Fragestellung wird ein konstitutives Merkmal konstruktivistisch-konkreter Kunst herausgestellt: Ziel der neuen Kunstrichtung war es, nach dem Ersten Weltkrieg – und darüber hinaus – zu einem gesellschaftlich-ästhetischen Aufbruch beizutragen. Dieser utopische Gesellschaftsanspruch, mit dem eine Einheit von Leben, Kunst und Kultur propagiert wurde, ist auch dem interdisziplinären Werk der hier versammelten Künstlerinnen immanent.
Über 120 Werke zeigen die Spielarten Konkreter Kunst zwischen System und Intuition auf: Das spartenübergreifende Schaffen der Pionierinnen moderner Kunst Sophie Taeuber-Arp und Sonia Delaunay prägt die gesamte Lebenswelt der 1920er-Jahre; Marcelle Cahn, Aurelie Nemours, Verena Loewensberg, Geneviève Claisse und Clara Friedrich-Jezler loten die Möglichkeiten künstlerischer Mittel – Farbe, Form und Fläche – aus; Vera Molnar verwendet erstmals einen Computer, um geometrische Kompositionen herzustellen; die Plastiken von Katarzyna Kobro, Mary Vieira, Charlotte Posenenske und die akustischen Arbeiten von Lily Greenham fordern gesellschaftliche, partizipative Teilhabe ein.
Weitere Informationen: Kunstmuseum Stuttgart